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In
Loki's Garten
Ein
Atelierbesuch bei Hans Daniel Sailer
von
Rüdiger Sünner
Die
Scheffelmühle kann, vor allem wenn man sie nachts erreicht, ein verwunschener
Ort sein. Hans Sailer hatte mich vom Stuttgarter Flughafen abgeholt und
wir fuhren Richtung Leonberg. Langsam änderte sich die Umgebung von
moderner Großstadtarchitektur zu ländlichen Formen und schliesslich
rumpelte der Wagen einen Feldweg an der Glems entlang, der in ein Wäldchen
führte, hinter dem bald Sailers Heimatdorf Höfingen auftauchte.
Schon sein Vater betrieb hier die alte Wassermühle, in der der Bildhauer
heute sein Atelier eingerichtet hat. Der Geruch von Holz und Tieren verleiht
dem Ort eine bäuerliche Aura. Sailer ist trotz seiner Belesenheit
kein Intellektueller, er arbeitet in erster Linie mit seinen Händen,
Sinnen und Instinkten und macht neben seinen Skulpturen eine ebenso gute
Figur wie neben seinen Pferden. Manchmal reitet er im Sommer in Begleitung
seines Hundes über die Schwäbische Alb, übernachtet hier
und dort und lauscht wie ein alter Druide auf die Stimmen der Natur, die
ihm Inspirationen für Leben und Kunst geben. Wenn dann in der Abenddämmerung
noch die Raben kommen, beginnen die alten Mythen wieder zu leben. Dann
besteht kein Zweifel mehr, dass sich in den schwarzen Zaubervögeln
intelligente Wesen verbergen, die uns unbekannte und wichtige Dinge zuraunen.
Von früh auf an mythologischen Dingen interessiert, lernte Sailer
die Sagenwelt Mittel- und Nordeuropas erst relativ spät kennen. In
Italien, wo er jahrelang begeistert lebte, vermisste er in den Buchhandlungen
Märchenliteratur für seine Kinder, ein Auftrag für einen
"nichtchristlichen Grabstein" brachte ihn mit der Symbolik der
Kelten und Megalithvölker zusammen. Nach seiner Rückkehr aus
der Toskana begann er sich auch mit den Kultstätten der Schwäbischen
Alb und der germanischen "Edda" zu beschäftigen, aus der
er einige Bildtitel für seine Werke übernahm, etwa "Lokis
Rabenzauber" oder "Yggdrasil oder der
nächtliche Ritt über die Republik".
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