Ein Kopf steckt auf einem Pfahl vor ein paar kahlen Bäumen. Betrachtet man ihn näher, fallen halb heroische, halb schmerzverzerrte Züge auf. Besonders im Winter, wenn das Laub spärlich ist, wirkt die Stätte wie ein Geisterhaus, in dem unerlöste Seelen umherirren. Wenige Meter weiter führt ein Schacht in eine schmutzige Ecke: Was auf den ersten Blick wie ein Pissoir oder Kellereingang aussieht, entpuppt sich als aufregender imaginativer Ort, der ins Reich der Dämonen zu führen scheint.


Doch Sailer's Bildwelten sind schillernd und vielschichtig: Die vernarbte, an Echsenhaut gemahmende Fratze ist einäugig und trägt eine Königskrone. Steht sie für das Leid eines malträtierten Opfers, für das Gesicht eines Nazi-Schergen oder gar für Odin, den Hauptgott der Germanen, den die SS als heidnische Urkraft verehrte und gegen den jüdisch-christlichen Erlösergott ausspielen wollte?

Zusätzliche Symbole verwirren das Bedürfnis nach klarer Bedeutung: Ein weisser Pfeil führt aus der Kloake nach oben, unter dem Schreckensantlitz hüpft ein Männchen mit Pfeil und Bogen herum und von rechts schlängelt sich ein ambivalentes Geschöpf zwischen Pferd, Schlange und Krokodil heran.


Sailer stellt eher Suchaufgaben als dass er klare Parolen ausgibt. In seiner Darstellung des NS-Terrors geht er dunkel-metaphorische Wege, die etwa Paul Celan's "Todesfuge" verwandter sind als den naturalistischen Anklagen von Käthe Kollwitz oder Ernst Barlach. Sie bewahren seine Kunst vor Sentimentalität und allzu flachen Lösungen. Der Schacht auf dem Geländes des Leonberger Friedensmahnmales führt einen in eine dunkelgrüne und feuchte Hölle, in dem mythische Gestalten hausen, die wir erst erforschen müssen, um sie besser zu verstehen.

" ... Ein Mann wohnt im Haus der spielt mit den Schlangen
der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland
dein goldenes Haar Margarethe ...
er ruft spielt süsser den Tod der Tod ist ein Meister aus Deutschland
er ruft streicht dunkler die Geigen dann steigt ihr als Rauch in die Luft
dann habt ihr ein Grab in den Lüften da liegt man nicht eng ..."

 

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